„Bauern demonstrieren, weil sie sich vom Staat gegängelt fühlen, und beklagen mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit. Auf der anderen Seite fordern Verbraucher und Umweltschützer mehr Klima- und Tierschutz in der Landwirtschaft. (Wie) Kann ein ökologischer Wandel gelingen?“, so lautete eine der Fragen, die den Wetterauer Direktkandidaten für den Bundestag gestellt wurde. 600 Zeichen insgesamt durften geschickt werden, zu wenig, deshalb hier die ausführliche Antwort.
Ich bin Fan von einer großen Lösung, die im Rahmen eines Masterplans erstellt wird, der mehr als nur die Landwirtschaft umfasst. Es gibt an allen Ecken und Enden Schnittstellen zu Umsystemen, trotzdem der Versuch einer stichhaltigen Antwort.
Für die einen sind die Landwirte Umweltkiller, sie selbst sehen sich gerne als Landschaftspfleger, beides ist Unfug. Landwirtschaft ist heute ein Unternehmen, das Nahrungsmittel produziert und gewinnbringend vermarktet. Wie jeder andere Wirtschaftszweig auch, versucht man Politiker von den eigenen Interessen zu überzeugen, was Jahrzehnte ja auch gut funktioniert hat. Die Landwirte leben also in einem wirtschaftlichen Umfeld, das sie sich zumindest teilweise selbst erschaffen haben. Dazu zählt die Fokussierung auf große Betriebe, auf die Produktion zu großen Mengen zu einem sehr niedrigen Preis. Die Verbraucher in Deutschland sind preisbewusst, um nicht zu sagen geizig. Der niedrigste Preis gewinnt. In diesem Geflecht bleibt viel Qualität auf der Strecke. Es ist daher unfair, den Landwirten vorzuwerfen, mit Massentierhaltung, Überdüngung und Antibiotikanutzung und der Verwendung von Ackergiften und Genmanipuliertem Saatgut, die Buhmänner der Nation zu sein. In anderen Ländern legt man mehr Wert auf Qualität als auf Qualität, da sind andere Modelle gefragt.
Überproduktion gab es übrigens schon immer. In meiner Kindheit und Jugend war oft von Milchseen und Butterbergen die Rede, die subventioniert erzeugt, subventioniert gelagert und subventioniert an die UdSSR verkauft wurden. Diese Subventiuonitis ist einer der Gründe warum wir so viel minderwertige Produkte wie Fleisch bekommen. Die Landwirte können schlicht von den Preismargen der Abnehmer nicht leben, also verkaufen sie die Produkte unter dem Erzeugerpreis und leben von den Subventionen der EU.
Beispiel: ich kaufe meine Milch immer direkt am Milchautomat eines Hofes. Kosten pro Liter 1,00€. Der Bauer hat mir das mal erläutert. Er produziert die Milch für 36 Cent/Liter, verkaufen muss er für 30 Cent. Die Differenz kommt aus Subventionen. Kaufe ich bei ihm direkt, erwirtschaftet es 64 Cent/Liter, davon kann er deutlich besser leben. Nun könnten man auf den Gedanken kommen, dass die Milch ja deswegen auch nur 69 Cent kostet, was wir aber nicht sehen, sind die Subventionen, die wir als Verbraucher ja über Steuern und Abgaben ebenfalls aufbringen müssen. Billige Produkte sind also nur bedingt günstig.
Eine Katastrophe sind die Produktionsbedingungen aber für die Umwelt und die Tiere. Turboproduktion gelingt nur mit immensem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, die allesamt Gift sind für die Böden. Die Wetterau hat einen der besten Böden der Welt (gehabt), mindestens seit der Römerzeit wurde die Fläche immer ertragreich bewirtschaftet. Über die meiste zeit mit nachhaltigen Mitteln, wie der Fruchtfolge, (3-Felder-Wirschaft, 5-Felder-Wirschaft), die eine Zeit der Brache unbedingt benötigt hat. Heute bekommen die Landwirte Subventionen für das Brach legen von Fläche, was völlig unnötig ist, es gehört zum Wirtschaftskreislauf einer Landwirtschaft dazu.
Die überproportionalen Erträge werden dann exportiert, gerne auch in Länder, deren Landwirtschaft dann von EU-Billigprodukten so geflutet wird, dass die eigene Landwirtschaft kollabiert. Die Schäden die dadurch entstehen sind fürchterlich. versteppte Landschaften, Böden die nichts mehr liefern, Menschen die auf Hilfsmittel angewiesen sind, Flucht.
Es wäre also richtig und gut, neue Wege zu gehen. Statt Turboackerbau mit fragwürdigen Mitteln nachhaltigen Landbau mit robusten Pflanzen unter weitgehendem Verzicht von Gifteinsatz. Die Piraten stehen zudem zu der Forderung: Keine Patente auf Lebewesen und Pflanzen!
Neue Produktionsmethoden müssen entwickelt werden um sauberer zu produzieren. Wassersparende Produktion von Gemüse in Hallen und Flächen mit Aquaponik (Kombination von Pflanzen und Fischzucht), faire Preise für die Produzenten.
Wir als Verbraucher müssen unser Konsumverhalten ebenfalls ändern. Weniger Fleischkonsum, dafür darf es dann etwas mehr kosten. Bewussterer Umgang mit Lebensmitteln. Sich auch mal klarmachen, dass man ein Kilo Fleisch nicht für 2 € Endverbraucherpreis ohne Tiertransporte, Massentierhaltung und riesigen Schlachthöfen erwirtschaften kann. Ja, es wird dann vielleicht teurer, aber sollte es uns das nicht Wert sein? In Frankreich oder der Schweiz, legt man Wert auf Qualität und bekommt sie dann auch.
Das nächste Problem bei der Massentierhaltung ist der Einsatz von Antibiotika, der dringend unterbunden werden muss. Antibiotika sind hochwirksame Medikamente, die Leben retten können. Der massive Einsatz von Antibiotika begünstigt Resistenzen und sie werden wertlos, das wäre eine Katastrophe. Und das nur mit unzumutbaren Bedingungen Tiere zusammen zu pferchen und in Rekordzeit schlachtreif zu bekommen? Das kann es nicht sein.
Wir brauchen dringend eine nachhaltige Landwirtschaft, höhere Verbraucherpreise und einen gesellschaftlichen Konsens, dass die Zukunft ökologischer sein muss. Klimaschutz ohne Einbezug der Landwirtschaft wird nicht möglich sein. Wir brauchen neue Konzepte und neue Denkstrukturen um gemeinsam eine klimafreundlichere Welt zu gestalten. Vielleicht sollten wir lernen besser zu kopieren, wo andere schon weiter sind als wir. Aber immer miteinander nicht gegeneinander.
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